Der Blick in den Spiegel

Unter der Tür war ein langer, hellerleuchteter Gang, dem ich folgte. Nach vielen Schritten erloschen die Fackeln, und vor mir breitete sich ein mildes, schimmerndes Licht aus. Es kam aus einem Spiegel, der am Ende des Ganges stand, und in dem ich mich selbst, mein Spiegelbild sehen konnte. An ihm führte kein Weg vorbei, und hier schien der Gang zu Ende zu sein, so trat ich auf den Spiegel zu.

"Halt, wer bist du, Fremder? Wagst du es also endlich, die letzte Begegnung mit dir selbst? Hast du denn keine Angst vor dir? Weißt du überhaupt, wer du bist, oder willst du es hier erfahren? Schau tief in mich und sag mir, ob du dich erkennen kannst. Bist du es, den du siehst, oder nur eine Hülle, eine Maske?
Was du siehst, ist ein Abbild deines Inneren. Hier erkennst du, ob du die Wahrheit vor dir selbst verbirgst. Ob du all das, was du über dein Leben denkst, und was du für richtig hältst, auch wirklich bist.
Ja, ich bin du, so wie du ich bist. Ich bin das Abbild deiner Gedanken, und wenn wir uns ähneln oder gar gleich sind, dann hast du dir selbst das Tor geöffnet zu dir. Du hast immer wieder versucht, die Hintergründe für all dein Handeln zu erfahren, hast immer gezweifelt, daß du dir selbst ein Schauspiel spielst. Wolltest nie begreifen, daß die Masken vor dir selbst gerade durch diese Selbstzweifel entstanden sind. Glaub doch einfach daran, wie du bist. Glaube an dich, an deine Ziele. Dann endlich wirst du du selbst sein, und du wirst den Spiegel durchschreiten können. Nun, wenn du es wirklich kannst, dann wirst du zu deinem Spiegelbild, und der Weg hindurch wird dir ein Leichtes sein, es ist wie das Verschmelzen zu einer Einheit. Geh nun diesen letzten Schritt, und glaube an dich, sei du selbst."

aus der Geschichte "Die Suche" von Micon

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